Keine Verbindung

Die Fahrt zurück war noch abenteuerlicher als die Hinfahrt. Mit staunenden Augen habe ich Berlin verabschiedet und ziemlich schnell nach den Stadttoren, die ich allerdings nicht gesehen habe, blieb der Zug stehen. Nach fast einer halben Stunde sagte der Zugchef, wir seien mit Steinen beschmissen worden, der Zug sei getroffen und es dauerte noch eine Weile. Ich habe die Geschichte nicht geglaubt.

Nach weiteren 15 Minuten hieß es, jetzt müsse der Bundesgrenzschutz kommen, der Schaden sei größer, als erwartet. Das war nun schon zum Aufmerken. Was kann ein Stein bei einem Zug so alles anrichten? Wie schnell repariert der Bundesgrenzschutz Züge? Was kommt nach dem BGS? Ich wollte mir die Zeit im Bistro verkürzen, und erst da sah ich, dass der Zug in einem Bahnhof stand. Keine Ahnung, warum ich das vorher nicht bemerkt hatte. Ich stieg aus, um mir den Schaden anzugucken.

Tatsächlich: Ein Fenster war total kaputt und bereits vom BGS in gekonnter Weise eingetreten, damit das Fenster „nicht bei 160 rausfliegt“, wie mir der Zugchef erklärte. Nun war auch klar, warum der BGS gerufen werden musste. Dann ging es weiter, mit fast einer Stunde Verspätung. Da es zwar ein Bistro, nicht aber ein Telefon im Zug gab, nahm ich das Angebot des Zugchefs gerne an, sein Telefon zu benutzen. Er wählte sogar die Nummer für mich und reichte mir mit einem undefinierbaren Gesichtsausdruck sein Telefon. Am Hörer wartete aber nicht Suse, sondern Herr Grabisch, dem ich verdutzt mitteilte, dass wir uns verwählt hätten. Herr Grabisch, der sich natürlich nicht denken konnte, warum ich für falsches Wählen mehr als eine Person verantwortlich machte, unterbrach sofort die Verbindung.

Der Zugchef blieb unbeirrt und hatte schließlich doch die richtige Nummer gewählt, ich aber immer noch nicht Suse am Telefon, da der Anrufbeantworter ansprang. Das fand ich nicht schlimm, immerhin konnte ich ja die Nachricht der Verspätung hinterlassen. Wie ich später selber hören konnte, lautete meine Botschaft: „Hallo, Suse, ich komme eine Stunde später“. Ich sagte nicht: „Hallo, Suse, mein Zug, der eigentlich um 21.05 Uhr im Dammtor einfährt, also genau der, hat eine Stunde Verspätung.“ Nun konnte Susanne mit einigem Recht denken, ich hätte vielleicht einen späteren Zug genommen.

Nicht dumm, schaute sie gleich im Internet und fand die Verbindung, die tatsächlich genau eine Stunde später im Dammtor ankam und stand dann am Bahngleis und betrachtete mit stummer Trauer die vorbeiziehenden Menschen. Kein Homann dabei.

Der, also ich, stand derweil, zu wirklich genau der gleichen Zeit, also währenddessen, 20 Meter Luftlinie entfernt an der Bushaltestelle, um mit dem Bus endlich nach Hause zu kommen. Wir haben uns dann aber wenigstens in der Wohnung getroffen, was mich im Nachhinein etwas wundert. Es hat dann noch eine geraume Zeit gedauert, bis sich herausstellte, dass ich nicht mit dem regulär eine Stunde später angekommenen Zug gefahren und auf dem Bahnsteig unerkannt an Suse vorbeigelaufen bin, sondern einem anderen Zug mit kaputtem Fenster entstiegen bin.